Rede für Frank-Ulrich Vögely, Bergfriedhof Heidelberg, 19. Februar 2011

 
 

Prof. Dr. Carlo Michael Sommer

„Heidelberger/Mannheimer Zeit“

_________________________


Liebe Geli, liebe Freunde, Familie, Trauergäste,


stellen wir uns eine große Jamsession vor, mit einer treuen Kernbesetzung, mit ganz großen Namen aus der Welt oder der Region, mit immer neuen jungen Talenten, gestandenen Meistern. Mit einem aktiven Publikum, mit einem einzigartigen Geist und wunderbaren Momenten und Ergebnissen, im Kleinen wie im Großen, in der Kunst wie im Menschlichen überhaupt.


Stellen wir uns eine solche Jamsession vor nicht nur für die Musik aus allen Genres, sondern auch mit allen Künsten, auch den handwerklichen, den wissenschaftlichen, sozialen, den Lebenskünsten.


Stellen wir uns eine solche Jamsession als ganzes Leben vor. Franks Leben. Wer daran teilhaben durfte, konnte erleben, wie wunderbar das war, in gewisser Weise eine Art soziales und künstlerisches Arkadien.


Stellen wir uns einen Mann vor, der nicht nur Urheber, Kraftzentrum, Inspirator dieser Kunst und Lebenskunst war, sondern zugleich noch die Bühne baute, das Piano schleppte, die Künstler und Gäste fuhr, beherbergte, aus irgendeiner materiellen oder anderen Not rettete, und und und…


Frank. Was für eine unfassbare Energie, Kreativität, Hingabe, Liebe, Freundschaft!

So habe ich ihn schon vor fast dreieinhalb Jahrzehnten kennengelernt. Wie viele Generationen hat er seither in Bann gezogen und inspiriert? Zu den alten Freunden sind immer wieder neu auch ganz junge gekommen. 


Damals in den unruhigen Zeiten des Deutschen Herbsts, verließ Frank das Bibliographische Institut. Beim Verlag wie schon zuvor an der Universität hat er herausragende Arbeit geleistet. Wer herausragt, eckt aber auch an. Frank hat sich nie verbiegen lassen, ist aktiv und unbeugsam gerade auch für andere eingestanden. Er hat da viel erreicht, aber eben auch den Kopf hingehalten.


Es war nur konsequent, dass er sich damals endgültig in das Leben als freier Kulturschaffender aufmachte. So konsequent im Großen wie im Kleinen, haben wohl wenige gelebt. Das war häufig nicht einfach. Aber er hat sich nicht geschont. Und – auch gesundheitlich – einen Preis dafür zahlen müssen. Was für ein Glück hatte er mit Geli, die ihm nicht nur in dieser Hinsicht sondern grundsätzlich als kongeniale Partnerin zur Seite stand.   


Frank war Kunst und Kultur mit jeder Faser, auch im ganz alltäglichen Kontext. Und er hat immer wieder große Kunst in unseren Alltag gebracht und uns inspiriert, konsequent und wahrhaftig an uns und an unserer Kultur zu arbeiten und mit Freude und Hingabe zu leben. Was für ein Glück hatten wir, ihn  begleiten zu dürfen.


Ich erinnere mich. Auch an scheinbare Kleinigkeiten:

Ich erinnere mich an sein Lachen vor dreißig Jahren bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle, als der Polizist sagte „Wir wissen, dass ihr am Wochenende wieder so ein subversives Fest macht. Wir haben ein Auge auf euch“.

Ich erinnere mich an sein Lächeln, als er mit Archie Shepp eine Brille kaufen ging und der Optiker wusste, wer das war.

Ich erinnere mich an einen unterdrückten Lachanfall beim Piano-Schleppen auf steiler Treppe.

Ich erinnere mich an sein Fluchen als Trainer zumindest künstlerisch hochwertiger Fußballteams.

Ich erinnere mich an seinen versonnenen Blick auf zwei Menschen, die sich durch ihn gefunden hatten.

Ich erinnere mich an eine Umarmung nach langer Zeit.

Ich erinnere mich an ein letztes ermunterndes Lächeln bei einer Lesung vor wenigen Wochen.

Ich erinnere mich. Wir erinnern uns.


Die Erinnerung an Frank ist schmerzhaft. Weil sie nun nur Erinnerung bleiben kann. Aber vielleicht können wir einmal Trost darin finden, dass die Erinnerung an Frank so viel mehr ist als nur passives Gedenken. So wie er uns alle beeinflusst hat mit seiner Energie, seiner großen Aufrichtigkeit, seiner Konsequenz im Leben wie in der Kunst, seiner Inspiration lebt er aktiv in uns fort. Wir alle haben so viel von ihm gelernt, und in guten Momenten werden wir wissen, dass wir etwas gerade so spielen, schreiben, so sehen, so leben, so verfechten, weil er ein Teil von uns ist und bleiben wird. Und in anderen Momenten – da werden wir ihn so vermissen wie schon jetzt.