Rede für Frank-Ulrich Vögely, Bergfriedhof Heidelberg, 19. Februar 2011

 
 

Trauerrede von Dr. Claude W. Sui

Leiter - Curator - Conservateur

Forum Internationale Photographie (FIP)

an den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

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Liebe Freunde, liebe Geli, liebe Familie, liebe Trauergäste,


wir trauern um Frank-Ulrich Vögely. Er zählt für mich zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Kulturschaffen, und er ließ sich nicht vom Kulturbetrieb korrumpieren.


Er war ein Universal-Gebildeter, un homme de lettres mit vielen Talenten, die er entwickelte und in fachkundiger Weise nutzte: Komponist, Pianist, Musikpädagoge, Kunsthistoriker, Fotohistoriker, Schriftsteller.


Vögely erhielt etliche Auszeichnungen, so 1973 die Verdienstmedaille der Stadt Birmingham (England), 1995 die Ehrenmedaille der Stadt Port Louis (Bretagne), und er war seit 1996 Ehrenbürger der Gemeinde Locmiquélic (Bretagne).


Ich hatte das Glück, Frank durch meine Arbeit als Fotohistoriker und Fotokurator an den Reiss-Engelhorn-Museen näher kennenzulernen. Es entstand eine Freundschaft voll gegenseitigen Respekts.


Die von ihm ins Leben gerufene Feudenheimer Kulturscheune mit Lesungen, Musikerfesten und Musikfestivals von internationalem Zuschnitt wurde zu einer legendären kulturellen Institution. Sie war aber mehr als nur ein Ort für Kulturveranstaltungen, sie bot nämlich auch die Chance, unterschiedliche Interessensgruppen zu treffen und anregende Gespräche zu führen. Ein Ort der offenen Kommunikation und der großen Gastfreundschaft wurde von Frank und seiner lieben Frau Geli etabliert und gepflegt. Man ging voller Anregungen und aufgewühlt nach Hause und spürte, dass man einem ganz besonderen Ereignis beigewohnt hatte. Die Scheune war ein offenes Haus, wo man sogar noch spät abends überraschend vorbeikommen konnte, um gemeinsam zu musizieren oder zu diskutieren. Der freie Ideenaustausch stand im Vordergrund, und vielleicht gibt es hier eine kleine Verbindung zu den frühen französischen Salons der Aufklärung im 18. Jahrhundert.


Als Franks Lebenswerk ist seine auf 25 Bände angelegte, in der Nachfolge Diderots stehende „Encyclopédie sentimentale“ anzusehen. Die Veröffentlichung der ersten drei Bände war für 2011 vorgesehen. Was hat ihn an dem Phänomen des sentimentale interessiert? In Gesprächen versuchte er kaleidoskopartig, dieses Phänomen zu umkreisen und über die Disziplinen hinweg zu erfassen, auch in der Fotografie. Im herkömmlichen Sinne ist sentimental eine Gefühlsrührung, eine Stimmung, die einen überkommt. Unser Verstand verliert an Klarheit und Schärfe. Eine Phänomenologie der Unschärfe stellt sich ein. Dies war ein Themenschwerpunkt, zu dem ich Frank für unsere nächste Veranstaltungsreihe „Talk Fotografie“ anlässlich der Fotobilder von Vera Köster im Forum Internationale Photographie der Reiss-Engelhorn-Museen bereits eingeladen hatte: Fotografie als optische Verklärung, als malerisches Prinzip bzw. als malerische Auflösung des Sichtbaren. In der Entmaterialisierung des Gegenstands und in der Auflösung der Formen bietet sich auch die Möglichkeit einer neuen Transformation, so wie im Tod, der ebenfalls zugleich Disparition und Apparition, Auflösung und Erscheinung in sich birgt; mal als komplementäres Prinzip, mal als disparates.


Franks besonderes Interesse galt der Geschichte der Fotografie, dessen Ursprung in den Freundschaften mit den Wegbereitern der zeitgenössischen Fotografie begründet war, wie mit Brassaï, Bill Brandt und insbesondere mit dem in Mannheim lebenden Robert Häusser. Frank war auch einer der ersten, der in einigen Bildern von Robert Häusser Vorwegnahmen von später einsetzenden Kunstrichtungen entdeckt hatte, wie Op Art, Concept Art und Land Art. Robert Häusser dessen philosophische Bilder um Themen der Vergänglichkeit kreisen, die ein Mehr an Wirklichkeit sichtbar machen und existenzielle Daseinsstrukturen frei legen, all dies erweckte Franks Interesse.


Aber auch die Bildende Kunst war für Frank ein wichtiges Medium, dem man sich schon im Kindesalter widmen sollte. So publizierte er bereits 1978 sein Buch für Kinder „100 Mal Kunst – von der Höhlenmalerei bis zum Happening“. In sehr spielerischer, sensibler und informativer Weise vermittelte er darin kunsthistorische Zusammenhänge. Kunst verkommt hier nicht zu einer gekünstelten Schöngeistigkeit, sondern wird als elementare Gestaltungskraft mit einer spannenden Entwicklungsgeschichte angesehen.


Franks kunst- und musikpädagogisches Engagement ist zugleich auch Ausdruck seiner kommunikativen Offenheit. Er wollte: Kommunikation ohne Vorurteil; Einsatz ohne Gegenleistung; Freundschaft ohne plumpe Kumpanei, Großzügigkeit ohne Berechnung und er war ein Kosmopolit ohne Provinzialismus.


Dies sind nur einige Facetten von Franks schillerndem Wesen. Wie schillernd und vielseitig er war, werden wir sogleich von seinen engsten Freunden und Weggefährten hören. Jeder wird aus einem bestimmten Blickwinkel heraus an bestimmte Ereignisse und Erlebnisse mit Frank erinnern und diese Erinnerung mit uns teilen.


Liebe Geli, liebe Familienangehörige, der heutige Anlass, zusammenzukommen, ist eine der schwersten Stunden, die es im Leben gibt: das Unbegreifliche des endgültigen Gehens, eine harte Zäsur. Vielleicht kann sie aber ein wenig gemildert werden, wenn wir uns Franks Wirken immer weiter vergegenwärtigen und es wertschätzen.


„Der erste Tag eurer Geburt nähert euch sowohl dem Tode, als dem Leben“, heißt es in Montaignes Essay über die Bedeutung des Todes.


Franks Werk, Franks Person wirken in unserem Leben fort. Und es gilt wieder erneut, Mut, ja Lebensmut zu schöpfen, da der Tod ebenfalls nur ein Bestandteil des Lebens ist, den man akzeptieren muss, auch wenn es einem im Moment schwer fällt.


Ich möchte mit Montaigne schließen:

„Nicht der Tod ist das Schreckliche, sondern das, was wir aus ihm machen“.